Void 1680 AM – ausgepackt und reingelesen

Wir haben uns für euch das relativ neue Spiel Void 1680 AM besorgt und schauen, was so drinnen steckt.

Unboxing

Ein dünnes Heftchen im hochkantigen Format, das irgendwo zwischen DIN A4 und DIN A5 liegt. Das Heft kommt in einer Art Schutzumschlag aus augenscheinlich gewöhnlichem, unbedrucktem, weißen Kopierpapier, das außen mitvertackert ist. Da es offensichtlich keinerlei Zweck besitzt, haben wir es schlicht und ergreifend abgerissen.

Das Cover ist optisch sehr ansprechend. Vorgreifend sei erwähnt, dass es viel von dem transportiert, was einen wahrscheinlich während des Spiels erwartet. Wir haben ehrlicher Weise zwar keinen klassischen Coverkauf verbrochen, trotzdem müssen wir zugeben, dass das Cover erst unsere Aufmerksamkeit auf die sehr interessante Spielbeschreibung gelenkt hatte.

Ein Blick in das Werk überrascht etwas. Der Inhalt ist als eine Art Betriebsanleitung für Radiotechnik aus den 1960er Jahren aufgemacht, ein deutlicher Kontrast zu der Covergestaltung. Das Layout wirkt sehr gut. Durch die Aufmachung und schön gemachten Low-Definition-Abbildungen technischer Schaltungen, fühlt man sich in die Hochzeit des Hörfunks zurückversetzt, als ein versierter Bastler den Äther mit Piratenprogrammen fluten konnte.

Zum Werk

Der gesamte Text hat einen ruhigen, geerdeten, teilweise fast schon philosophischen Unterton. Es schwingt immer dieses Gefühl mit, als Radio-DJ in einem verrauchten Studio eines kleinen Mittelwellensenders zu sitzen, der sein Programm in die Weiten Nordamerikas hinausstrahlt, ohne jemals zu wissen, wer am Ende wirklich die gesendeten Inhalte empfängt.

Ein Programm, bei dem nicht irgendetwas gesendet wird, sondern bei dem sich Menschen bewusst für oder gegen ein Musikstück entscheiden, bei dem vielleicht nicht global wichtige Kommunikation gesendet wird, bei dem aber irgendjemand etwas sehr Wichtiges zu sagen hat.

Das Spiel

Void 1680 AM überrascht zunächst einmal schon dadurch, dass es untypischer Weise nicht als Gruppe (in der jeder Teilnehmer einen Charakter darstellt) gespielt wird, sondern alleine, ohne Spielleiter. Der Spieler ist ein Radio-DJ und der Spieloutput besteht nicht wie in anderen Rollenspielen aus einer dramatischen oder epischen Geschichte in Form von Dialogen und beschriebenen Handlungen, sondern aus einer schätzungsweise gut einstündigen Radiosendung, die sich aus Musik und Redebeiträgen des Radiomoderators zusammensetzt.

Zum Abwickeln der Spielmechaniken werden ein Kartendeck und ein sechsseitiger Würfel benötigt. Zum Erzeugen der „Radiosendung“ ein Aufnahmegerät (die Diktierfunktion eines Smartphones reicht vollkommen aus), sowie eine Möglichkeit Musikstücke aneinanderzureihen. Hierbei bieten sich Playlistfunktionen verbreiteter Streamingdienste an, am Ende würde es aber auch ein Zettel tun, auf dem die Musikstücke niedergeschrieben werden, um sie dann auf dem heimischen Plattenspieler aufzulegen.

Nachdem man sich kurz darüber Gedanken macht, welche Art von Radiosender betrieben wird und ein klein wenig das Setting definiert hat, kann es auch schon losgehen.

Es werden vier verschiedene Musikblöcke unterschieden, jeder Block hat seinen definierten Charakter, beispielweise Block Zwei (aus dem Regelwerk übersetzt) „…die Lieder im zweiten Block erhöhen die Intensität der Playlist, aufbauend in Richtung eines emotionalen Höhepunktes“.

Für jeden Block werden Vorgaben für drei Musikstücke per Kartenzug zufällig ermittelt, beispielsweise (aus dem Regelwerk übersetzt) „3. Du hast die Lyrics jahrelang falsch verstanden. Du findest deine Version ist die bessere“.

Grundsätzlich besteht der Ablauf eines Block dann darin, Redebeiträge und Musikstücke abzuhandeln, alles soll aufeinander Bezug nehmen, muss es aber nicht. Die Redebeiträge sollen aufgezeichnet werden. Das Spiel hält auch Höreranrufe bereit. Diese Beiträge werden, ähnlich den Liedern, mit einem Kartenzug ermittelt, hier ergänzt um einen Würfel. Die Höreranrufe werden nicht „ausgespielt“ aber der Radiomoderator greift sie nach einem Musikblock auf.

Wie das fertige Werk nun aussieht, das hängt ein bisschen davon ab, wie viel Arbeit sich der Spieler noch machen möchte. Im Prinzip könnte man die Musik mit den Redebeiträgen zusammenschneiden. Eine Veröffentlichung wäre aber nur bedingt mit dem Urheberrecht zu vereinbaren, jedoch wartet auf der letzten Seite noch ein echter Clou. Ken, der Autor des Spiels, betreibt hobbymäßig einen Mittelwellensender und er sichert zu, dass er Einsendungen die im Rahmen des Spiels entstanden sind, senden wird. Insofern könnte der einsame Radio-DJ doch noch einen Empfänger für seine Botschaften finden.

Es geht in dem Spiel also weniger um Musik, sondern eher um fast schon philosophische Fragen um senden und empfangen von Informationen, um hören, gehört werden und gehört werden müssen.

Eine gewisse Ironie liegt darin, dass die Vergänglichkeit der gesendeten Botschaften mitschwingt. Im Vergleich jedoch zu einer klassischen Rollenspielsituation, in der die erzählte Geschichte nur für den Moment zu existieren scheint, in dem sie ausgesprochen wird und dann lediglich als Echo in den Köpfen der Teilnehmer weiterlebt, ist das Ergebnis dieses Spiels ein bleibendes Werk.

Wir sind gespannt auf die erste Session und werden ausführlich an dieser Stelle berichten.

Falls ihr mit uns in Kontakt treten wollt, wir freuen uns auf eure Rückmeldung!

Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von Ken Lowery/BannerlessGames

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